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#21

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 11.06.2011 00:23
von Günther • 2.336 Beiträge

Dann nimm mich bitte mit, damit ich auch endlich mal live ne undulata seh, weil die find ich ja nie..

Günther

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#22

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 17.03.2012 00:37
von Günther • 2.336 Beiträge

Hi,

ich hab gestern nachgeschaut, ob auch T. bipunctata schon aktiv ist. Deshalb bin ich in den Lainzer Tiergarten zu der Stelle, wo Markus letztes Jahr undulata und bipunctata syntop gefunden hat (ganz am Anfang dieser Beitragsserie).
Ergebnis: Wirklich, wirklich viele undulatas (etwas mehr kurz- als langdornige), 1 tenuicornis und keine einzige bipunctata (ich war an genau derselben Stelle, die auf Markus´ Lebensraumbild zu sehen ist).

Zwei interessante Aspekte daran:

1. Möglicherweise (sogar höchstwahrscheinlich) gibt es hier also eine zeitliche Einnischung der beiden Arten, um Konkurrenz weitestgehend zu vermeiden - worauf v.a. hindeutet, dass
2. alle Exemplare (und es waren sicher 70-100) adult waren. Undulata scheint also tendenziell Imaginalüberwinterer zu sein (ob überall oder nur an gewissen Stellen, kann man natürlich daweil schwer sagen). Nur eine einzige Minilarve hab ich gesehen, die aber natürlich unbestimmt bleiben musste.

Anders ist es zB bei tenuicornis, bei der durchaus viele Larven überwintern. Hab mal in meinen Daten von 2011 nachgesehen, da konnte ich von dieser Art zwischen Ende März und Mitte Mai gleichermaßen Imagines und Larven finden, dann war für 2 Monate Schluss mit letzteren und erst ab Mitte Juli haben sich dann wieder welche eingeschlichen.

Leider sind solche Untersuchungen halt nicht ganz leicht anzugehen wegen der schweren Bestimmbarkeit der Larven (gerade bei den beiden gegenständlichen Arten wissen wir noch nicht wirklich viel). Aber prinzipiell ist dieser Lebensraum dort im Lainzer TG ein idealer Ort, um diese Einnischung live mitzuerleben und zu studieren (wenn es denn eine ist und ich die bipsis nicht einfach nur übersehen hab).
Vielleicht kann ja auch der eine oder andere, der in der Nähe von undulata- und/oder bipunctata-Fundorten wohnt, mal eruieren, wie das derzeit in anderen Populationen ausschaut? Spannend wäre es allemal! Obwohl ich glaub, dass da eh schon vieles bekannt ist, müsste man mal nachschauen..

Damit´s auch was zu sehen gibt, noch ein paar Bilder (obwohl man sie eh schon langsam kennt..).





Hier das Phänomen, dass die Fühler(glieder) länger und dünner wirken (oder sind?), wenn sie nach unten gehalten werden:




Und die einzige tenuicornis:


Schön waren auch die vielen Großen Füchse (Nymphalis polychloros), eine Art, die ich bis vor ein paar Jahren nie gesehen hab, seit dem aber ständig. Leider konnte ich keinen fotografieren...

Viele Grüße,
Günther

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#23

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 20.03.2012 13:41
von Axel Hochkirch • 41 Beiträge

Hallo zusammen,

ich wollte mich auch mal melden, wo ich doch schon zitiert werde :-)

Zunächst mal: Es stimmt, dass T. undulata, T. subulata und auch T. ceperoi vorwiegend adult überwintern. Die fangen auch schon früh im Jahr mit Balz und Paarung an. T. tenuicornis ist dagegen meist erst so ab Juni adult zu finden. Ich glaube, das hatten wir auch mal in der Articulata publiziert (Hochkirch et al. 1999). Es geht aber noch besser aus den Meldedaten diverser Atlanten hervor (der Holländische Atlas von Kleukers et al. ist da empfehlenswert).

Es ist ebenfalls richtig, dass Tetrigiden Parthenogenese betreiben können. Wir hatten dies selber mal untersucht. Allerdings scheint die Reproduktionsrate dann deutlich geringer zu sein als bei verpaarten Tieren.

Übrigens scheinen insbesondere Tetrix ceperoi und T. subulata unter Wasser zu überwintern (das haben wir in Gröning et al. 2005 - Entomologie heute publiziert). Es ist ja schon bekannt, dass die gute schwimmen und tauchen können. Es war aber auffällig, dass sämtliche Standorte in N-Deutschland winterlich überflutet waren und oft so großflächig, dass ein Ausweichen der Tiere unwahrscheinlich ist. Zudem müssten sie dies im Herbst machen, wenn es ja schon recht kühl ist und die Tiere weniger bewegungsfähig sind.

Kein Zweifel, dass Tetrix superspannende Tiere sind!

Phylogenetisch sind T. subulata und T. undulata übrigens tatsächlich Schwesterarten und wenn man sie sich mal genauer ansieht, dann sind sie sich morphologisch ebenfalls sehr ähnlich (z.B. die Kopfform).

Genau diese Ähnlichkeit lässt mich jetzt aber auch bei einigen Fotos stutzen - und zwar insbesondere bei denen vom 02.05.2011. Die meisten dieser Bilder hätte ich spontan wohl eher als subulata angesprochen. Dies gilt vor allem für das kurzdornige Tier (Bild 2), bei dem die Hinterflügel eine typische subulata-Länge haben (für undulata viel zu lang). Bei den Bildern 1,3,4,5 und 6 hätte ich auch spontan eher subulata gesagt. Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Wölbung des Halsschildes noch im Rahmen von subulata liegt oder nicht. Das Bild vom 01.06.2011 hätte ich dagegen ebenfalls als undulata angesprochen. Gleiches gilt für das erste und das vierte Bild vom 17.03.12, während ich das zweite wieder als subulata bestimmt hätte (in diesem Fall sieht es sogar wirklich sehr flach aus).

viele Grüße,
Axel

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#24

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 20.03.2012 21:49
von Markus S. • 436 Beiträge

Hallo Axel!

Endlich wieder eine spannende Tetrix-Disskusion!!!!!

Zuerst mal danke für die Ergänzungen....Überwinterung unter Wasser ist eine wahnsinns Theorie. Habt ihr soetwas auch beobachtet? Wenn ja, wie? Seit unseren Funden von T. subulata am roten Berg, hätte ich mir vorstellen können, dass sie sich mit jedem feuchten Lebensraum zufrieden geben wenn ihr "gewöhnliches" Habitat nicht mehr ihren Anforderungen entspricht. Auch wenn dieser nicht den typischen subulata-Lebensraum entspricht. Aber dass die gar unter Wasser gehen um zu überwintern?

Zu den Tieren aus dem Lainzer Tiergarten:
Ich habe mir natürlich sofort meine Bilder nochmal genauer unter die Lupe genommen. Leider habe ich bei den meisten Bildern einen Blitz frontal verwendet, was viele Strukturen, so auch die deutliche Ausprägung des Mittelkiels, so gut wie auslöscht. Ich habe daher noch ein paar Bilder von den betroffenen Tieren ergänzt.

Es handelt sich aus meiner Sicht bei allen Tieren von dem Beitrag vom 2.5.2011 um T. undulata. Auch die "kurzdornige" hat einen viel zu stark ausgeprägten Mittelkiel um T. subulata sein zu können. Kann aber deine Überlegung wegen der Flügellänge vollkommen nachvollziehen.

Die Mittelschenkel sind für mich ebenfalls ein klares Unterscheidungsmerkmal, da diese bei allen abgelichteten Individuen ziemlich massiv sind und eine wellige Ober- und Unterkanten aufweisen.

Hier das erste Tier nochmal(da hat mein Blitz nicht ausgelöst wodurch man die Struktur des Mittelkiels wesentlich besser erkennen kann)


ein Ausschnitt des "kurzdornigen" Individuums(wellige Mittelschenkel und langer erhabener Mittelkiel)


Beim dritten Tier achtet auch wieder auf die gewellten Mittelschenkel, die sieht man so deutlich, dass ich nichts herausvergrößert habe!

Hier eine Vergrößerung des 4ten Tiers(wieder wellige Mittelschenkel und der erhabene Mittelkiel)


Zum fünften Tier kann ich nur eine beinahe Draufsicht anbieten auf der man aber sehr gut das vorgezogene Pronotum erkennen kann, welches T. subulata auch nicht hat:


Bei dem zweiten Tier vom Günther bin ich mir auch nicht ganz sicher, da ich das Foto nicht gut vergrößern kann. Bilde mir aber auch ein ein hervorgezogenes Pronotum zu erkennen.

Wenn alle Stricke reißen sollten, liegen die Belegtiere von dieser Stelle im NHM-Wien.

Hier noch von zwei Bilder von heute:

Dieses kurzdornige Individuum hatte auch die eher typische Flügellänge!


Da habe ich versucht eine langdornige undulata möglichst seitlich im Gegenlicht zu erwische um den Mittelkiel hervorzuheben:


Hoffe der Beitrag ist nicht zu lang geworden.

Grüße, Markus


zuletzt bearbeitet 21.03.2012 06:39 | nach oben springen

#25

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 21.03.2012 08:28
von Günther • 2.336 Beiträge

Guten Morgen,

ich möcht mich auch bei Axel für die vielen Infos bedanken - leider gibt es die Articulata genau ab dem 1999er Jahrgang nicht mehr als pdf (das meiste davor schon).

Bei meinem fragwürdigen Tier hatte ich dasselbe Problem wie Markus mit dem Frontalblitz, allerdings ist bei diesem Exemplar der Rückenkiel tatsächlich verhältnismäßig schwach gewölbt, das ist absolut richtig. Um zu zeigen, dass es sich dennoch um eine langdornige undulata handelt, hier eine Vergrößerung des Kopfbereiches - deutlich stärker vorgezogen als bei subulata (da kann man auch den scharfen Kiel erahnen).



Und hier noch ein paar andere Exemplare vom selben Färbungstyp (vielleicht ist das betreffende Tier sogar dabei, da hab ich jetzt nicht näher geschaut).









Die Dicke der Hinterschenkel schließt mE subulata ebenso aus wie die der Mittelschenkel sowie die von Markus erwähnte Wellung ebenjener (die aber schon auch bei subulata vorkommen kann, aber nicht so stark). Und natürlich die Dornwölbung, die wie ich finde in dieser Ausprägung nicht mehr in der individuellen Variationsbreite von subulata liegt. Bzgl. Rückenkiel möcht ich noch anmerken, dass im Schweizer Atlas der Kiel auf beiden ceperoi-Bildern ebenfalls nicht so erhaben erscheint, wie er eigentlich sein sollte, v.a. beim oberen Tier. Das kann also anscheinend ziemlich täuschen.

Und an Axel noch die abschließende Frage, ob bei Euch diese undulata-Langdornigkeit auch so häufig auftritt, oder ob der Prozentsatz in D geringer ist als bei uns?

Viele Grüße,
Günther

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#26

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 21.03.2012 08:36
von hospiton • 2.720 Beiträge

Hallo Markus & Axel!

Hochinteressante Aspekte bringt Axel da ins Spiel und - super aufgearbeitet, Markus!
Meine erste Reaktion war auch undulata, habe bei subulata noch nicht so einen starken Mittelkiel gesehen, aber zugegebener Maßen sieht man das natürlich nicht immer genau am Foto, aber da Du (Markus) die Tiere ja "live" gesehen hast, gilt für mich natürlich der Vertrauensgrundsatz!
Das Argument mit der Hfl.-Länge bei der kurzdornigen ist wirklich interessant, denn da müßte undulata ja tatsächlich rausfallen, aber: Kiel, Pronotumsvorderrand und für mich vor allem der breite Mittelschenkel in der Relation zur Vfl.-Breite läßt eigentlich nur undulata zu! Vielleicht haben wir jetzt noch einen weiteren "schwammigen" Fall wie sublulata vs. bolivari (für mich zumindest!!!)

LG

Werner


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#27

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 21.03.2012 09:59
von Axel Hochkirch • 41 Beiträge

Hallo zusammen,

in Deutschland treten langdornige undulata sehr selten auf. Ich selber habe noch nie eine gesehen - aber vielleicht habe ich sie ja auch fälschlicherweise für subulata gehalten ;-) Aber da beruhigt mich dann wieder die Aussage im holländischen Atlas, wo die langdornige Form von undulata als "sehr selten" beschrieben wird. Das dürfte schon sehr gut mit der Situation in Nord-Deutschland zusammen passen. Trotzdem fand ich bei den langdornigen subulata die Halsschilder schon immer recht variabel, was die Flachheit angeht. Auch das im holl. Atlas abgebildete langdornige Tier von subulata hat ein leicht gewölbtes Halsschild.

Eure Argumentation bezüglich des doch meist recht stark gewölbten Halsschildes und der leicht gewellten Mittelschenkel halte ich trotzdem für plausibel und die meisten der Bilder sind vermutlich tatsächlich macropronotale undulata. Das gilt insbesondere für die Bilder, die Günther heute reingestellt hat.

Das kurzdornige Tier von Markus finde ich dann jedoch wieder verwirrend, da es demnach drei Flügelmorphen bei undulata geben müsse. Das würde dann eventuell sogar die These stützen, dass es sich bei kraussi und bipunctata ebenfalls um Flügelmorphen handeln könnte. Wahrscheinlich wäre es ganz gut, wenn sich Arne die Tiere auch mal genauer ansehen würde.

Übrigens hatten wir beim Sammeln von bolivari in der Slowakei auch mal ein gemeinsames Vorkommen mit subulata. Dort fanden wir auch einige "intermediäre" Tiere, die sich dann aber am Ende alle genetisch als reine bolivari herausstellten.

viele Grüße,
Axel

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#28

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 21.03.2012 10:26
von hospiton • 2.720 Beiträge

Hallo Axel!

Spannende Sache, das kann natürlich auch ein Grund sein, dass kaum jemand langdornige undulata kennt/gekannt hat (auch in Österreich!), scheinen auch in div. Bestimmungsschlüsseln kaum auf. Auffallend war aber besonders im letzen Jahr, dass sie in meiner Gegend stellenweise 50 % des Bestandes ausmachten, ob das die Ausnahme war (klimatische Ursachen?), werden wir heuer und in den nächsten Jahren prüfen müssen, und auch auf die Hinterflügellänge bei den kurzdornigen müssen wir nun unser besonderes Augenmerk lenken (werde meine Sammlung auch einmal daraufhin untersuchen!).

Danke auf jeden Fall für diesen wertvollen Beitrag und vielleicht gibt Arne noch einen Kommentar dazu ab!

LG

Werner


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#29

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 21.03.2012 10:30
von Axel Hochkirch • 41 Beiträge

Hallo Werner,

zumindest genetisch gibt es bei undulata und subulata eigentlich keine Unterscheidungsprobleme (auch wenn es tatsächlich Schwesterarten sind). Insofern wäre es unproblematisch zweifelhafte Tiere mal bei uns zu sequenzieren.

LG,
Axel

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#30

RE: Lainzer Tiergarten - Tetrix

in Beobachtungen in Österreich 21.03.2012 10:40
von hospiton • 2.720 Beiträge

Hallo Axel!

Danke für das Angebot - wir hatten ja bis gestern eigentlich kein Problem, diese beiden Arten zu trennen (aber wie gesagt, die Fotos...) und Du wirfst ein völlig neues Licht auf die noch "junge", österreichische Tetrix-Szene! Wir sahen in den letzten beiden Jahren, vor allem dank dieses Forums, wieviel Unbekanntes, aber auch Fehlbestimmtes in der Datenwelt herumgeisterte!

LG

Werner


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