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#11

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 15:59
von WSW • 1.034 Beiträge

So, jetzt kann ich noch eine Halbtagstour nachlegen

Wieder sehr aufschlussreich. Erster Stopp: Münichreith - hier gab es seinerzeit eine kleinflächige Massenansammlung von stigmaticus an einer schütter bewachsenen Störstelle in einer Feuchtwiese. Irgendwie unerklärbar. Natürlich war davon heute nichts mehr zu finden. Gleich daneben befindet sich eine feuchte Bürstlingswiese mit Wollgras und Orchideen, aktuell frisch gemäht. Schon damals hatte ich da nix gefunden und bin auch heute erfolglos durchgelatscht. aber beim Rausgehen entdecke ich dann an einem trockenen Rücken bei 2 Birken auf wenigen qm doch 4 Exemplare! Da hat er also noch überlebt, die letzten mir bekannten auf der Ostseite des Ostrongs.

Dann wieder rauf ins Gebiet nördlich St. Oswald. Um es kurz zu machen - 2 damals nur noch reliktäre Fundstellen in Randbereichen von Wiesen waren nicht mehr zu bestätigen, in einem Fall durch direkte Zerstörung, im anderen durch Nutzungsaufgabe.

Allerdings habe ich bei dieser alten Rodungsinsel am Pelletriedel wieder einen grusigen Güterweg mit schütterem Bewuchs angetroffen. Ein paar Tetrix waren da schnell herausgescheucht.
Mein Problem mit den Tetrix: Ich hab keine Ahnung, wie man undulata von bipunctata agg. sicher unterscheidet. Daher sind das für mich vorerst einmal alles bipunctata agg.

So gesehen sollte das einmal ein bipunctata s. str. sein:



Und hier die Totalansicht:



Sogar eine Metrioptera brachyptera ließ sich heraustreiben:



Beim Zurückgehen kam ich irgendwie auf die Idee, weitere zu fangen, fand aber nur mehr einen. Der hatte es in sich - müsste kraussi sein!



Totalansicht:



Das würde bedeuten, die beiden Formen kommen vollkommen syntop vor. Ich versteh zwar nix davon, aber für mich sieht es so aus, als ob das ein und dasselbe Viech ist, einmal macropter, dann micropter. Wo´s wärmer ist, gibt´s mehr microptere...

Weiter unten beim Auto fing ich noch mal einen, wieder langflügelig.

Koordinaten des Fundortes: 15°01'00.90'' Ost, 48°17'07.69'' Nord, 857 m
Koordinaten des vorgestrigen Fundortes: 14°59'20.14'' Ost, 48°22'06.96'' Nord, 842 m

Zuletzt bin ich noch den Herzstein-Wanderweg weiter, denn Werners stigmaticus-FO wollte ich endlich kennenlernen.
Also ich muss sagen, dieser Werner ist ein Glückspilz: Fährt einmal mit seiner Frau in diese Gegend wandern und findet diese gut versteckte Wiese - ein echter "lucky punch" .

Also die Wiese hat in der Mitte einen großen nährstoffreichen Bereich, da ist also auch schon was passiert. Aber dennoch ist es für stigmaticus und Co. noch immer ein Sanatorium.

Erst einmal ein paar Habitatfotos, die mit meinem 100er Makro das schwierigste sind.

Schon der Weg rauf zu den magischen Eichen mit Bankerl ist ein stigmaticus-Habitat:



Die Wiese war kurz vorher gemäht worden, da findet man immer wenige Heuschrecken, Dafür war es hier aber noch sehr gut und stigmaticus ließen sich leicht genügend finden. Größere Bereiche waren richtig extreme trockene, flachgründige Heidekraut-Borstgrasrasen, wie man sie kaum noch wo sieht:



Und dieses Bild sagt mehr als 1000 Worte: Der steinige Weg zieht diagonal durch; rechts ist stigmaticus-Land, links beginnt abrupt das neue Waldviertler Einheitsgrün. Obwohl durch etliche Blüten verziert, kann hier kein stigmaticus mehr leben.



In dem unheimlich empfehlenswerten Klassiker "Die Wiesen Oberösterreichs" von Gerhard Pils erfährt man u.a. über die Geschichte der früher weitverbreiteten Mühlviertler Bürstlingsrasen - nach dem 2. Weltkrieg wurden sie durch die Errungenschaft des Kunstdüngers schlagartig zerstört. Man wundert sich, warum so eine Fläche überhaupt noch übrig ist, wenn auch nur mehr fragmentarisch...

Noch ein paar Heuschrecken:
Dieser lineatus würde bei einem Anfänger sicher für alles mögliche durchgehen; auch ich habe erst mal an anderes gedacht:



Hier der stigmaticus mitten in seinem Element - auf Heidekraut Calluna vulgaris:



Und sein kongenialer Partner Omocestus haemorrhoidalis:



Larven gibt´s auch noch, um mal eine stigmaticus-Larve zu zeigen:



Fazit: Ich hab nun fast alle ehemaligen Fundorte des Kleinen Heidegrashüpfers durch. Das erschütternde Ergebnis: Etwa die Hälfte konnte nach ca. 15 Jahren nicht mehr bestätigt werden. Wenn man das hochrechnet, wieviele Fundorte es vor 60 Jahren vor der Vernichtung der Bürstlingsrasen gegeben haben muss...

Aber dem Werner seine Wiese wird wieder Besuch von mir kriegen, ich möchte sehen, wie das zur Blütezeit aussieht!

VG Wolfgang

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#12

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 17:17
von hospiton • 2.767 Beiträge

Zitat Wolfgang: Heureka!!!

Hallo Wolfgang!

Endlich, das ist sie, die "richtige" Wiese! Der Hinweis mit dem idyllischen Bankerl genügt, auch ohne die Fotos zu sehen (das Bankerl musste seinerzeit auch dafür herhalten, meine Frau und den Rucksack ruhigzustellen !).

Zu den Tetrix: wenn mich nicht alles täuscht, die im heutigen Beitrag eingestellten ersten beiden (ist es das selbe Individuum?) Bilder zeigen für mich undulata!!! (zweites heureka!): Fühlerglieder länger, Pronotumsvorderrand weniger vorgezogen, Vfl. breiter wirkend als Mittelfemur, Hinterfemur gestreckter, welligerer, nicht so gewölbter Dorn, ... mehr Argumente finde ich auf Anhieb nicht - bis Günther einsteigt....@Günther: Wehe Du zermürbst mich wieder!

Werner

PS: @Wolfgang: Drum hab' ich Dir ja den Platz verraten, dank ortsansässigkeit und Lanius...! Vielleicht kann man den Teil im NO des Weges noch erhalten....!

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#13

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 17:46
von WSW • 1.034 Beiträge

Hm, wenn das jetzt eine undulata ist - dann wird´s schwierig...
Alle diese Merkmale liegen bestenfalls im Gefühlsbereich, für mich zumindest. Nichts Wasserdichtes dabei. Der gewellte Mittelschenkel ist mir allerdings auch aufgefallen.

Und was wäre die dann? Hat geraden Mittelschenkel.
Das war die vom Autoabstellplatz.

Wolfgang

Angefügte Bilder:
tetrix.jpg

zuletzt bearbeitet 29.07.2011 17:46 | nach oben springen

#14

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 17:56
von hospiton • 2.767 Beiträge

Vorsicht! Ich schrieb gewellter Dorn!! Den Mittelschenkel erwähnte ich wegen der relativen Breite zum sichtbaren Teil des Vfl.!

Die "Autoabstellplatz-Tetrix" ist wieder eine eindeutige bipunctata - mehr als Gefühlsbereich! Vergleich auch bei der Autoabstelltetrix den s-förmigen Pronotumsvorderrand und schau Dir diesen bei der cf. undulata an!

Zusatzfrage, die mich traurig stimmt: ich vermisse bei Deiner Schilderung von dort M. maculatus, der war letztes Jahr - zwar nicht so häufig wie stigmaticus - auch vertreten und das ist ja auch ein klasssisches Habitat für den!?

LG

Werner

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#15

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 18:12
von WSW • 1.034 Beiträge

Das ist echt brutal mit den Tetrixen, vor allem diese undulata sorgt wie befürchtet für Unruhe .
Das könnte dann ja bedeuten, dass hier auf kleinem Raum 3 Formen/Arten beisammen sitzen - schrecklich, und auch wieder spannend.

Mal sehen, welche Meinungen noch kommen.

Bezüglich der maculatus brauchst du dir keine Sorgen machen. Ich hab zwar die Augen offen gehalten diesbezüglich, hatte aber wenig Zeit (die Marillenknödel warteten schon). Zudem reduziert die frische Mahd die Anzahl der Individuen und somit die Antreffwahrscheinlichkeit für den mac.

Das ist eben die Frage bei der Mahd - früher mähen und damit die Individuenzahl herabsetzen oder später und damit die Habitatqualität verschlechtern?

Übrigens, oben beim Scheiterstoß gab es einige vagans, hast du die bis vor kurzem nicht auch noch gesucht ?

VG Wolfgang


zuletzt bearbeitet 29.07.2011 18:30 | nach oben springen

#16

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 18:19
von hospiton • 2.767 Beiträge

Sehr aufmerksam, aber den habe ich zum Glück schon länger gekannt, glaub, der Günther hat den lange gesucht... Hab ich vom damaligen Tag auch eine Datenbankeintragung "Pireitsteiner Hof, nördl. St. Oswald", wo auch immer das war...Weiß nur, dass beim Bankerl Steinpilz und Satanspilz auf wenigen m² standen, ich habe anscheinend den richtigen gegessen!

Ja, warten wir auf das Wiener und das Schweizer Schiedsgericht!

LG

Werner

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#17

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 18:26
von WSW • 1.034 Beiträge

Hab mir inzwischen dieses Merkmal mit der sichtbaren Vorderflügelbreite bei den Schweizern nochmals durchgelesen und jetzt offenbar geschnallt - sieht in der Tat nicht schlecht aus! Hab mit der undulata dort oben nicht wirklich gerechnet...

Hier noch die Koordinaten für den Autoabstellplatz (für Günther): 15°01'19.59'' Ost, 48°17'14.49'' Nord, 814 m

WS


zuletzt bearbeitet 29.07.2011 18:26 | nach oben springen

#18

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 19:33
von Günther • 2.345 Beiträge

Ich zermürbe Dich keinesfalls, Werner - ganz eindeutig undulata, aufgrund der von Dir erwähnten Merkmale. Der manchmal zitierte gewellte Dorn kann, muss aber bei der Art nicht vorhanden sein. Darauf würde ich mich überhaupt nicht verlassen (siehe auch die bipunctata aus Wolfgangs Ursprungsbeitrag).
Vielleicht werden es an dieser Stelle auch noch 4 Arten. Wenn´s da irgendwo a bissl feucht/gatschig ist, ist auch mit subulata zu rechnen (hatte ich heuer mal in der Nähe von Bad Vöslau - alle 4 auf vielleicht 15 m Strecke).
Dann muss man auch noch aufpassen wegen der Verwechslung langdornige undulata (nicht selten!) und subulata. Ist aber nicht so schwierig, erstere hat einen wirklich erhabenen Dorn, siehe hier, unterstes Bild.

Danke für die Koordinaten, Wolfgang!

Ich selbst hab von heute kraussi aus dem Kamptal zu vermelden - war dort auch zu erwarten.

LG,
Günther

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#19

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 29.07.2011 20:44
von WSW • 1.034 Beiträge

Ich kann also undulata endlich eindeutig abhakeln und mir ein Bild von dem Viech machen. Ohne gute Aufnahmen oder zumindest eine Lupe schaut´s da aber schlecht aus...

Mein Gefühl sagt mir, dass ich die subulata dort oben eher nicht erwarte. Richtung Weinsberger wald hatte ich die Art auch früher nie. Scheint mehr Wärme zu brauchen.

Danke jedenfalls, Günther, für den "Schiedsspruch"!
Wolfgang

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#20

RE: Tagestour im südwestlichen Waldviertel

in Exkursionsberichte 30.07.2011 01:54
von Günther • 2.345 Beiträge

Hallo Wolfgang,

es ist nur eine Frage der Zeit, dann erkennt man die bipunctatas sofort, v.a. aufgrund der Fühler. Ist man sich irgendwie nicht ganz sicher, ob die wirklich dick und kurz genug sind und überlegt man hin und her (weil die irgendwo in der Mitte sind), ist undulata gleich ein guter Tipp. Und dann zur Absicherung Photos, wie Du sagst.
Dein undulata-Fund ist ganz großartig! Die Art zählt sicher zu den bisher am schlechtesten erfassten Tetrix-Arten, und sie ist sicher häufiger als man denkt.

Wichtig ist es immer, auch die langdornigen genau anzuschauen. Manuel hat mir gesagt, es wurde meistens alles Langdornige, das außerhalb des Seewinkels gefunden wurde, automatisch als subulata determiniert. Dabei vergisst man aber 2 Arten: Erstens langdornige undulatas (die sicher oft als subulata bestimmt wurden) sowie im Osten (östlich der Weinviertel-Waldviertel-Grenze) bolivari. Vor ein paar Tagen hat er mir im NHM seine Tetrix-Sammlung (hauptsächlich von heuer) gezeigt, darin waren etwa 25 langdornige Tiere. Ergebnis: Mindestens 20 Individuen davon waren (wenn auch nur von 2 Fundorten, Laaer Becken) eindeutige bolivaris!!

Also an alle: Augen auf !!! Die Dornschrecken dürften sowas wie der Schwachpunkt der ansonsten wirklich vorbildhaften Heuschrecken-Erhebung in Österreich sein. Immerhin geht es um einen bundesweiten Verbreitungsatlas - da müssen wir alle zusammenhelfen, damit auch das Bild der Tetrigiden (auch wenn sie noch so unscheinbar sind) Hand und Fuß hat!

Soweit das Wort zum ...Samstag ;)

LG,
Günther

P.S. Meine höchste undulata war bisher auf 950 m im Oberen Mühlviertel, die geht aber sicher bis auf über 1000 m und besiedelt oft ähnliche Habitate wie bipunctata...

edit: P.P.S. noch zu subulata: Wir waren damals im Gesäuse ganz erstaunt: Überall war nur kraussi anwesend, doch an einer einzigen 0815-Stelle an einem Forstwegrand fanden wir dann plötzlich (über 800 m Seehöhe) ein paar subulatas (und eine einzige langdornige undulata). Will damit sagen, dass subulata einfach überall auftauchen kann, auch da, wo man sie nicht erwartet. Wobei man sich da fragt, wo die auf einmal herkommt... Viel zu lernen wir noch haben!


zuletzt bearbeitet 30.07.2011 03:41 | nach oben springen


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