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#1

viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 01:55
von Günther • 2.336 Beiträge

Hallo,


ich hab da ein Problem mit den Gesängen der beiden Tettigonien, vielleicht kann mir da jemand weiterhelfen?

Untertags sind diese beiden ja für gewöhnlich nicht besonders schwierig auseinander zu halten: viridissima mit dem durchgehenden Gesang, bei dem die einzelnen Tonstöße gut aufzulösen sind, cantans hingegen mit dem anschwellenden und kurz danach wieder abebbenden (ab-ebbenden;), schnellerfrequenten Gesang.

In ihrem Nachtgesang klingt dann ja cantans sehr ähnlich der viridissima - also auch lange durchgehend.

So weit, so gut - dass sie in der Nacht nicht leicht zu unterscheiden sind, ist ja bekannt. Aber jetzt wird´s a bissl kompliziert:

Nun bin ich heute neben einer Bundesstraße an einer Stelle stehen geblieben, die mir schon vor einigen Jahren als für Insekten äußerst spannend aufgefallen ist (so viele Bockkäfer, Wanzen, Wespen etc. hab ich noch nie auf einer so kurzen Strecke gesehen, ein paar Bilder dann noch hinten dran - unglaubliche Stelle, natürlich mit vielen Doldenblütlern). Und da haben neben diversen Strauchschrecken (griseoaptera, aptera, 1x fallax) recht viele viridissimas gesungen - dachte ich zumindest. Hab dann einige von den Sängern optisch gefunden, und es war alles cantans, mit einem durchgehenden Gesang! Zu diesem Zeitpunkt war es ca. 15:30 - also eigentlich noch keine Zeit, zu der cantans schön langsam in ihren Nachtgesang reinkippt.
Dort haben aber alle so gesungen, deshalb hab ich mich zu folgender Überlegung hinreißen lassen (oder ist das möglicherweise eh nix Neues oder kompletter Blödsinn?): Heute war ja ein recht kühler Tag (ca. 19 °C), deswegen ist es vielleicht nicht die Nacht, die cantans zu ihrem durchgehenden Nachtgesang bewegt, sondern einfach nur die Temperatur - denn in der Nacht ist es ja bekanntlich auch kühler. Wenn dem so ist, frag ich mich in weiterer Folge, warum sie dann einen längeren Vers vorträgt? Zwar etwas niedriger in der Frequenz, aber länger andauernd als untertags.
Zusammengefasst: Cantans singt anscheinend an kühlen Tagen sowie des nächtens durchgehend - aber warum?

Ein paar Kilometer weiter hab ich aus dem Auto in einem Feld wieder so wie vorher einige cantansen gehört, dazwischen aber auch 2 oder 3 definitive viridissimas - deutlich langsamer und, obwohl nicht unbedingt leiser, wesentlich feiner im Klang.
Da fragt man sich dann schon, was man jetzt notieren soll...
Hoffe, es kann jemand trotz dieser wirren Beschreibung nachvollziehen, was ich meine..(?)

Jetzt noch ein paar Fotos..:


Moschusbock (Aromia moschata) und Streifenwanzen (Graphosoma lineatum) im trauter Zweisamkeit - auf jeder zweiten Dolde schaut´s dort so aus..


Moschusbock (Aromia moschata) und der Braune Weichkäfer (Rhagonycha fulva)

Muss mich Manuels Ansicht anschließen - die Kleine Goldschrecke ist definitiv eine der Schönsten bei uns überhaupt - fast schon kitschig;-) - sogar mit fehlendem Hinterbein..


Rote Keulenschrecken (Gomphocerippus rufus) gab´s dort in allen erdenklichen Altersstufen und Farben. @Christine: Ich weiß nicht, wo genau Du daheim bist, aber achte besonders auf die - ich hab das Gefühl, die gibt´s in Kärnten fast überall.. Sind leicht zu erkennen an den keulenförmigen und mit einer weißen Spitze versehenen Antennen.




Und schließlich noch eine stinknormale Pholidoptera griseoaptera - trotz ihrer Häufigkeit ein enorm schteiles Ding!



LG,
Günther


zuletzt bearbeitet 07.08.2010 02:44 | nach oben springen

#2

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 10:26
von hospiton • 2.720 Beiträge

Hallo Günther!

Das hast Du gut beobachtet, ist ein bekanntes Thema, irgendwo habe ich auch einmal gelesen, dass man - ich glaube es war bei viridissima - sogar die Temperatur bestimmen kann (eine gewisse Formel, die Einzeltöne in einem gewissen Zeitabschnitt zählen, irgendetwas multiplizieren und/oder subtrahieren,...etc. ergibt Grad Celsius +/- 1°! Falls ich die Literaturstelle finde, werde ich sie hier noch bekanntgeben). Ich weiß nicht, welche Literatur oder CD's du hast, aber da kann man recht gut die verschiedenen temperaturabhängigen Gesänge studieren! Also, ich finde, bei diesen beiden Arten kann man es am Klang meist schon erkennen, wer da sitzt (da habe ich bei anderen Arten größere Schwierigkeiten, sowie unlängst erst mit P. heydenii vs. Tett. caudata, oder jedes Jahr mit Ch. brunneus und albomarginatus oder vielleicht neuerdings oschei?!) - viridissima hat immer viel betontere Einzeltöne, macht auch regelmäßigere Pausen zwischen den Strophen, während cantans bei kühlen Temperaturen oft minutenlang eher schwirrend klingen. Aber es ist natürlich schwer zu erklären, irgendwann geht einem da das Aha-Erlebnis durchs Gehör!

Viel Spaß noch, momentan kann man das ja gut studieren (derzeit 14° bei uns)

Werner

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#3

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 12:28
von Christine
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Hallo Günther,

super Fotos!

Die Rote Keulenschrecke ist mir noch nicht aufgefallen, aber ich werde danach suchen. Das erscheint mir eine leichtere Übung und sowas freut mich natürlich bei meiner momentanen noch großen Verwirrung.

Hab sogar bei der Strauchschrecke noch Schwierigkeiten, weil mir keine deutlichen Fotos gelungen sind, aber könnte das eine sein? (Ich stell die Frage gleich hier, wenn ich darf.)

Ich weiß nicht, wo jetzt das Foto ist? Ich versuch es noch mit zwei anderen Fotos von vermeintlichen Strauchschrecken:

lg
Christine

Angefügte Bilder:
Schrecken Strauchschnecke Pholidoptera griseoaptera Haus 24-7-10 A.JPG
Schrecken Strauchschnecke Pholidoptera griseoaptera Pirkwald 31-7-10 A.JPG
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#4

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 12:30
von kein Name angegeben • ( Gast )
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Ah, Nr. 2 und 3 sind da, nur Foto 1 fehlt.

Noch ein Versuch:

Angefügte Bilder:
Schrecken Strauchschnecke Pholidoptera griseoaptera Pirkwald 31-7-10 C.JPG
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#5

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 13:37
von hospiton • 2.720 Beiträge

Hallo Christine!
Ja, das sollten alles Pholidoptera griseoaptera, die gewöhnliche Strauchschrecke, sein, sofern die Tiere aus Österreich stammen! Bei dieser Gelegenheit gleich eine Bitte an alle Forumsteilnehmer, die Bestimmungsanfragen stellen:
Wie auch im Lepiforum die Bitte, die Bilder mit halbwegs genauen Fundortangaben einstellen, evtl. auch Größenangaben, denn da kann man dann schon gewisse Arten eingrenzen, ausschliessen etc. Und wer kennt schon alle Strauchschrecken aus Südamerika??? :-)

LG
Werner

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#6

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 19:17
von Günther • 2.336 Beiträge

Hallo Werner,

danke für Deine Hilfestellung!
Ja, die Pausen zwischen den Strophen sind ein recht gutes Merkmal, die hat man dort nicht gehört. Es wird halt besonders schwierig, wenn man schwirrende cantans hört und man keinen direkten Vergleich mit viridissima hat. Fährt man zB an diesen beiden Arten nacheinander vorbei, ist es eindeutig und geht schon viel leichter...
Was mich aber eben etwas verwundert hat, ist, das cantans anscheinend bei Kühle zu schwirren beginnt. Und da frag ich mich, warum bzw. was ihr das für einen Vorteil bringt..?

@Christine: Worauf Du in Kärnten auch treffen könntest (neben Ph. griseoaptera und Ph. aptera), ist die seltenere Südliche Strauchschrecke (Pholidoptera fallax). Wichtig ist bei den Strauchschrecken immer der Verlauf/die Dicke des weißen Randes an den Halsschild-Seitenlappen, das ist eh im Bellmann ganz gut drinnen. Was dort aber leider nicht drin ist, ist eine Abbildung des Weibchens dieser Art, denn der Legebohrer ist auch oft ein recht gutes Merkmal. Hier als Ergänzung ein Bild von heute (Ph. fallax, Weibchen).



LG,
Günther


zuletzt bearbeitet 07.08.2010 19:20 | nach oben springen

#7

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 19:49
von hospiton • 2.720 Beiträge

Hallo Günther!

Nach "Vorteilen" im Sinne unseres rationellen Denkens braucht man da glaube ich nicht zu suchen, es "geht" halt bei kälteren Temperaturen einfach nicht schneller, denke z. B. an Chort. parallelus, in wieviel Facetten der striduliert, in der Sonne und im Schatten klingt er dann schon wie montanus, allerdings wenn Du beide nebeneinander hörst, ist montanus dann auch schon langsamer! Und die Weibchen werden dass wahrscheinlich auch registrieren und "langsamer" hören...!

Alles in allem, das macht das ganze interessant und spannend, und man senisibilisiert sein Gehör!

lg
Werner

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#8

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 20:04
von Günther • 2.336 Beiträge

Das stimmt natürlich, aber ich meine nicht die niedrigere Frequenz, sondern den durchgehenden Gesang. Den trägt sie sicher nicht einfach nur zum Spaß vor, wenn es kühl oder Nacht ist. Irgendeinen Grund gibt es dafür bestimmt, viridissima singt ja untertags auch nicht in diesen kurzen Strophen...

Das mit der Kälte ist klar, die langsam singenden parallelen haben mich heute auch fast zur Weißglut gebracht;-)

LG,
Günther


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#9

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 07.08.2010 20:52
von Christine • 1.226 Beiträge

Hallo Günther,

ich werde mich bemühen, danke für deine lehrreichen Ausführungen!

lg
Christine

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#10

RE: viridissima vs. cantans

in Heuschreckengesänge 12.08.2010 11:21
von WSW • 1.034 Beiträge

Das Phänomen kennt wahrscheinlich jeder und es ist letztlich auch leicht zu erklären: In der Nacht ist es um etliche Grade kühler, grad dort besonders, wo die cantans sitzen. Dadurch verlangsamt sich ihr Gesang besonders deutlich. Das heißt, er wird nicht nur langsamer, sondern auch um ein Vielfaches länger, nämlich die einzelne Strophe.

Nun ist es aber so, dass die cantans an ihren Vorkommensorten immer sehr dicht sitzen. So gehen die Strophen der einzelnen Tiere ineinander über und man vermeint, ein Dauerschwirren zu hören wie bei viridissima.

Gestern konnte ich das Phänomen beim Leuchten in einem Waldviertler Moor wieder stundenlang vernehmen, die Tiere saßen sehr dicht an den Pfeifengrashalmen und konnten sich wegen Kühle, Tau und Nebel kaum bewegen. Dementsprechend langsam ihr Gesang.

VG Wolfgang

Angefügte Bilder:
cantans.jpg
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