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#1

Neues aus dem Mühlviertel

in Beobachtungen in Österreich 12.07.2012 23:12
von Günther • 2.345 Beiträge

Grüß Euch,

nachträglich möchte ich kurz von einer kleinen Exkursion berichten, die ich vor zwei Wochen zu Hause in Oberösterreich gemacht habe. Und zwar auf eine Wiese keine 150 m von unserem Haus entfernt, im Oberen Mühlviertel nahe St. Martin im Mühlkreis.
Letztes Jahr bin ich dort zu meiner großen Freude auf Mecostethus parapleurus gestoßen. Es handelt sich um eine Wiese, die unmittelbar an eine seit ca. 10 Jahren bestehende Weide angrenzt, auf der sich an die 15 Schwarzkopfschafe tummeln, die furchtbar menschliche Geräusche von sich geben. Vorher war das eine ziemlich nichtssagende brachgefallene Grünlandfläche.
Oben schließt Buchenwald an, an dessen trockenem Rand auch einige Traubeneichen und Rotkiefern eingestreut sind, wo auch die Waldgrillen sehr häufig sind. Hier ein Bild von unten rauf fotografiert, rechts vom Zaun beginnt die Weide (ich glaube, auch der linke Teil war mal beweidet).



Und noch von oben runter von der Kapelle aus gesehen:



Unten kommt mir die Wiese etwas fetter vor als oben. Es hüpfen einem dort Lauchschrecken um die Ohren (nach oben seltener werdend), ebenso sind Decticus verrucivorus und Stenobothrus lineatus recht häufig. Nach oben hin wird das ganze dann immer lückiger und trockener, was darin gipfelt, dass man direkt am Waldrand kleinflächige Stellen mit extrem niedriger Vegetation und offenem Boden hat, wo auf einen Schlag plötzlich Unmengen an Oedipodas rumspringen. Und zwar wirklich fast nur auf diesen wenigen Quadratmetern!
Bin dann über den höchst soliden und kaum überwindbaren Weidezaun gestiegen und dachte, ich seh nicht recht! Sowohl larval als auch adult kamen mir sofort mehrere Exemplare von Stenobothrus stigmaticus unter (aber nicht außerhalb des Zauns, obwohl sich die Vegetation da kaum unterscheidet)! Hab mich gefragt, woher der gekommen sein mag, denn zunächst ist mir nichts Geeignetes weit und breit eingefallen - bis ich an das ganz nahe gelegene große Damwild-Gehege gedacht hab, wo ich mir die Art auf jeden Fall vorstellen könnte und von wo die Tiere sich möglicherweise ausgebreitet haben. Muss mal fragen, ob ich da rein darf, das würde mich brennend interessieren!


(Kann mir als Botanik-Unwissender jemand sagen, auf welcher haarigen Pflanze der da sitzt? Die wächst bei uns überall, aber ich komm nicht dahinter)

Ebenso erwähnenswert ist, dass zumindest im Randbereich der Schafweide Metrioptera bicolor unterwegs ist, aber nur in den längergrasigen Bereichen.

Sowohl für bicolor als auch für stigmaticus ist das einer der bisher westlichsten Fundorte nördlich der Donau, ich bin gespannt, ob mir dort in den nächsten Jahren noch weitere Grenzgänger unterkommen. Der stigmaticus war jetzt die 25. Art für zu Hause, und das noch dazu in einem einzigen Minutenfeld (ca. 1,8 x 1,2 km) in einem landwirtschaftlich ziemlich ausgesaugten Teil des Mühlviertels! Aber hin und wieder gibt es dann doch noch wertvolle Kleinode, und dass das gleich hinterm eigenen Haus ist, ist für mich ein Wahnsinn, da bin ich fast a bissl stolz auf unseren Gaisberg...

Liebe Grüße,
Günther


zuletzt bearbeitet 13.07.2012 08:14 | nach oben springen

#2

RE: Neues aus dem Mühlviertel

in Beobachtungen in Österreich 13.07.2012 07:30
von hospiton • 2.767 Beiträge

Hallo Günther!

Meine zutiefste Verbeugung vor Deinem "Runden" - hast meinen erwarteten 50er doch noch überholt, noch dazu minutenfeldgenau! Das mit dem stigmaticus und der Schilderung dieser Wiese erinnert mich sehr an meine Wolfpassinger/Königstettener Wiese und dem nigromaculatus, sehr viele Parallelen!

Und das Pflänzchen ist das Kleine Habichtskraut, Hieracium pilosella, mit seinen hübschen, blassgelben Blüten - eine typische Art für den geschilderten Habitatstyp!

LG

Werner


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#3

RE: Neues aus dem Mühlviertel

in Beobachtungen in Österreich 13.07.2012 08:25
von Günther • 2.345 Beiträge

Danke fürs Kleine Habichtskraut, Werner!
Ja, ich kann mich an Deine Königststettener Wiese erinnern, mit den Psophen und nigros... Es ist schon oft erstaunlich, wie kleinräumig sich die Artenzusammensetzung ändern kann, noch dazu, wenn der jeweilige Lebensraum auf den ersten Blick völlig unisono ausschaut. Da wäre man versucht, so eine Skizze von oben zu machen, in die man diese ganzen verschieden kleinen Zonen incl. Arteninventar einzeichnet......

Viele Grüße!
Günther

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#4

RE: Neues aus dem Mühlviertel

in Beobachtungen in Österreich 13.07.2012 10:15
von WSW • 1.034 Beiträge

Wenn ich als "stigmaticus-Forscher" auch was dazu sagen darf: Dein Bild enthüllt ja eh genau den Grund des flächenscharfen Vorkommens! Links vom Zaun erkennt man ganz deutlich die dicht stehenden Obergräser - sowas hasst der stigmaticus. Und im Vordergrund ist der Kräuterwuchs eindeutig dichter, kaum offene Bodenstellen im Gegensatz zur rechten Seite.

Damit ist der Fall klar, es hat ja natürlich seinen Grund, warum im westlichen Waldviertel die Vorkommen und Bestände so stark zurückgegangen sind. Der stigmaticus ist da extremst empfindlich. Idealbeispiel ist der breite, aber extrem schütter bewachsene Weg zu Werners stigmaticus-Platz, aber auch der schmale Feldrain mit dem roten Focus, den ich in meinem Beitrag gezeigt habe - da passt´s. Und wenn´s passt, dann ist er gleich einmal sehr häufig.

Früher, als die Stegwiese 2mal gemäht wurde und somit übers Jahr die Vegetationshöhe niedriger war mit mehr offenen Bodenstellen, da hat es dort auch gewimmelt. Heute kämpft er um seine Existenz, die einmalige späte Pflegemahd bringt ihm genau zur Zeit seiner Haupt-Imaginalphase zu dichte und hohe Vegetation. Den Botaniker freut´s, wie ich zwischenzeitlich von Wolfgang Leopoldinger erfahren konnte, während TZK sich gleich meiner Meinung angeschlossen hat. So unterschiedlich kann Naturschutz ausgelegt werden...

Aber nicht nur den stigmaticus trifft´s, auch den nigromaculatus. Hab bei meinem Beitrag vom Klausgraben vergessen zu erwähnen, dass der nigro tatsächlich, wie bereits im Vorjahr festgestellt, eindeutig weg ist. Unglaublich eigentlich, denn er war noch vor ein paar Jahren dort häufig und oberflächlich betrachtet hat sich an der Bewirtschaftungsweise nichts verändert, weiterhin extensive Beweidung.
Aber während ich ein paar Jahre dort nicht genauer geschaut habe, düften kleine interne Änderungen im Beweidungsregime der einzelnen Teilflächen dafür gesorgt haben, dass genau auf den Kernzonen des Vorkommens das Gras zu dicht und zu hoch gestanden ist. Möglicherweise könnte auch der gestiegene Stickstoffeintrag aus der Luft eine Rolle gespielt haben. So schnell kann´s gehen!

Soweit von meiner Seite zu dem Thema.
VG Wolfgang


zuletzt bearbeitet 13.07.2012 10:19 | nach oben springen

#5

RE: Neues aus dem Mühlviertel

in Beobachtungen in Österreich 13.07.2012 10:29
von Günther • 2.345 Beiträge

Hallo Wolfgang,

es war umgekehrt - am unteren Bild links vom Zaun (innerhalb der Weide) hab ich ihn gefunden hab, rechts nicht. Man muss aber dazu sagen, dass das Foto aufgrund der perspektivischen Verkürzung etwas täuscht, die Weide ist auch links nicht wirklich dicht, v.a. im oberen Bereich war er häufig, und da ist es schon auch lückig.
Warum er dann auf der anderen Seite nicht vorgekommen ist, obwohl er da laut Deiner Expertise eigentlich vorhanden sein sollte, kann ich nicht sagen, ich muss da nochmal intensiver nachsuchen.

LG,
Günther

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#6

RE: Neues aus dem Mühlviertel

in Beobachtungen in Österreich 13.07.2012 11:21
von WSW • 1.034 Beiträge

Ich hab das selber schon bemerkt gehabt und bereits ausgebessert, da hast du aber den Beitrag schon gelesen und die Antwort verfasst

Am anderen Bild zur Kapelle hinauf sieht man das etwas besser - links gleichmäßigere, rasige Vegetation, rechts durch die Beweidung ist der Bewuchs heterogener mit flächigen Inseln ohne Obergräser. Aber nach den Bildern zu gehen ist immer schwierig, so kommt zum Beispiel bei meinem Habitatfoto mit dem Bartgrasrasen dessen extrem lückiger Aufbau überhaupt nicht rüber, sieht im Gegenteil sogar ziemlich dicht langgrasig aus.

Für die Heuschrecken ist deine Wiese eine einzige Fläche, der Zaun ist ihnen egal. Innerhalb dieser Fläche marschieren sie alle in jene Bereiche, wo sie sich maximal wohl fühlen, da genügen geringste Unterschiede, die auf solchen Bildern oft gar nicht einfach erkennbar sind!

Das kannst du sicher gerade auf diesen Flächen sehr gut studieren!

VG Wolfgang

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