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#1

Am Fuße des Schneebergs

in Exkursionsberichte 08.07.2012 20:43
von Günther • 2.336 Beiträge

Grüß Euch,

nach mehrtägiger durchgehender Computerarbeit wollte ich gestern mein Kreuz entlasten und wiedermal mehr oder weniger "blind" irgendwo hinfahren und suchen, fotografieren, suchen, suchen... Die Berge sollten es schon sein, und was ist von Wien aus naheliegender als das Schneeberg/Rax-Gebiet. Da eh immer alle auf die Rax fahren (außer Maria;-), hab ich mich für den Schneeberg entschieden, allerdings nicht rauf, sondern nur am Fuß unten. Durch Puchberg durch und an der Burgruine Losenheim vorbei, bis man dann ansteht. Ein Sessellift geht hier auf eine große Almweide auf ca. 1200 m (Putzwiese). Den hab ich aber nicht genommen, sondern bin quasi direkt darunter die schmale Hangwiese raufgewandert (im Winter eine Skipiste, wie einige Gedenktafeln an tödlich verunglückte Jugendliche gezeigt haben). Relativ bald fand ich dann diesen Noctuiden, der im Schatten auf einem Pestwurzblatt saß. Kann mir jemand bestätigen, dass es sich dabei um Autographa bractea handelt? Das Tier war unglaublich schön, man hätte sich in den beiden gold-silbrigen Flecken fast spiegeln können!




Etwas weiter oben machte ich an einer Stelle mit viel Geröll in der Wiese halt und blieb ca. 1 Stunde lang zum Fotografieren.
Was mich besonders gefreut hat, war überdurchschnittlich häufig Chorthippus apricarius, der ja zu meinen heimlichen Chorthippus-Favoriten zählt. Hier erkennt man sehr gut das artcharakteristische erweiterte Medialfeld.



Gleich am Anfang sprang mir ein makropteres Euthystira-Weibchen vor die Füße



sowie unmittelbar danach ein makropteres Männchen von Chrysochraon dispar.
Was hier ebenfalls unterwegs war, war natürlich Omocestus viridulus - hier zwei Weibchen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten...





Und nicht zuletzt Tetrix bipunctata, an dieser Stelle allerdings nur Larven - von sehr klein bis mittelgroß.
Schärfentiefe ade...



Dem Lebensraum entsprechend gab es auch eine einzige Psophus-Larve.



Dann ging es über einige Serpentinen durch den oft sehr lichten Wald nach oben. Obwohl ich aktiv nach Miramella auf den Stauden am Wegrand gesucht habe, konnte ich keine entdecken. Ebenso hab ich mit dem Detektor vergebens nach Barbitistes serricauda gefahndet. An den Forstwegrändern herrschte eine typische Artenzusammensetzung - Pholidoptera griseoaptera (noch nicht adult), Ph. aptera, Tetrix (bipunctata) kraussi (hier alle adult), Gomphocerippus rufus sowie an nur einer einzigen Stelle Chorthippus brunneus.
Wenn man bedenkt, dass die Flügel bei der Roten Keulenschrecke normalerweise etwa so lang sind wie das Abdomen, mutet dieses Tier hier fast schon pervers an!



Hochträchtig war auch dieses Weibchen der Bergeidechse (Zootoca vivipara). Als es von dannen zog, war es eher ein unkoordiniertes Hinwegtorkeln als ein gezieltes Fluchtverhalten. Es kann sich hier wirklich nur noch um Stunden handeln, heute flitzen wahrscheinlich schon kleine Eidechslein um die Mutter herum... Ein so markant gezeichnetes Tier hab ich noch selten gesehen!



Und dann lag sie plötzlich da, völlig frei an der Wegböschung...



Mit Sicherheit ein ebenso trächtiges Weibchen.

Anschließend kam ich oben bei der Putzwiese raus - eine ausgedehnte Extensivweide. Gleich an deren Ostrand entdeckte ich in großer Zahl Tetrix (bipunctata) kraussi endlich mal auf einem in der Literatur so oft erwähnten Kalkmagerrasen. Bisher kannte ich die Art nur von Kahlschlägen, Forstwegrändern oder Waldrändern. Bzw. würde mich interessieren, wie Ihr diesen Lebensraum benennen würdet, ich bin da nämlich ganz schlecht. Bin mir nicht sicher, ob diese Stelle auch beweidet wird, denke aber schon.





Auf der Weide selbst war noch erstaunlich wenig adult. Allem voran natürlich O. viridulus, aber auch beide Goldschrecken, eine einzige Tettigonia viridissima, ebenso ein einziger singender Chorthippus parallelus etc. Doch eigentlich gelang mir dort der Hammerfund der gesamten Exkursion. Ich weiß nicht, ob sich da was geändert hat seit Erscheinen des Ostösterreichatlas. Aber zumindest bis 2009 ist dort weit und breit kein aktueller Fund verzeichnet, und als größte Fundhöhe werden in Ostösterreich 590 m angegeben - die Putzwiese aber liegt auf glatten 1200 m! 2 Männchen sind im Weißen Germer gesessen und haben vorsichtig vor sich hin gesurrt...





Tettigonia caudata!

Dann wurde es schon recht düster und ich bin wieder zurück.

Ich kann diese Runde nur jedem empfehlen. Sie ist nicht allzu lange, man kommt durch viele verschiedene Lebensräume und oben ist dann die Edelweißhütte, wo man sich mit einem kühlen Bier belohnen und die herrliche Aussicht genießen kann. Leider hatte ich aber dafür keine Zeit...






Viele Grüße,
Günther


zuletzt bearbeitet 09.07.2012 08:25 | nach oben springen

#2

RE: Am Fuße des Schneebergs

in Exkursionsberichte 08.07.2012 21:51
von WSW • 1.034 Beiträge

Hallo Günther,

ja, die Autographa bractea denke ich bestätigen zu können, eine typisch montane Art. Gratuliere auch zu den gelbhaxerten caudatas auf 1200!
Und so schwangere schwarze Kreuzottern hab ich bei meiner letzten Exkursion im WG gemeinsam mit 3 glücklichen TN auch gesehen, waren den ganzen Tag an derselben Stelle gleich unterhalb der Forststraße.

VG Wolfgang

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#3

RE: Am Fuße des Schneebergs

in Exkursionsberichte 08.07.2012 23:02
von hospiton • 2.720 Beiträge

Hallo Günther!

Wow, den caudata hätte ich dort auch nicht erwartet oder einer Höhenkrankheit zugeordnet, wenn ich ihn nicht gesehen hätte - gratuliere! Den Tetrix-Standort würde ich als XF in die Datenmaske eintragen, aber vielleicht korrigiert uns Thomas...

LG

Werner


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#4

RE: Am Fuße des Schneebergs

in Exkursionsberichte 09.07.2012 08:40
von Günther • 2.336 Beiträge

Danke für die Bestätigung von Autographa bractea, Wolfgang! Die freut mich schon sehr, und außerdem ist die so markant, dass man sie so schnell nicht wieder vergisst.

@Werner: Ja, als X-F hab ich ihn drinnen, schön, dass wir da einer Meinung sind!

Ich frag mich, ob das Gelbhaxerte was mit der Höhenstufe zu tun hat, bei den Schweizern ist auch so eine drin. Ebenso passt das ja farblich recht gut zum Germer, der auch immer so bräunlich-gelbliche Stellen an den Blattspreiten hat. Ich bild mir ein, dass zumindest im Forum bis jetzt immer komplett grüne caudatas zu sehen waren. Oder täusch ich mich da?

LG,
Günther

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#5

RE: Am Fuße des Schneebergs

in Exkursionsberichte 10.07.2012 09:57
von Thomas Z-K • 738 Beiträge

Lieber Günther!

Danke für die schöne Schilderung!

Ja die Tettigonia caudata ist wirklich ein außergewöhnlicher Fall! Du hast damit sogar den österreichischen Höhenrekord gebrochen (bisher 1100 m, Stronach in Tirol von Franz Werner, auf dessen Fersen Du ja auch in Kärnten schon warst...). Es gibt ja historische Funde zumindest vom Semmering, ich habe die mit dem damals auch in den Berglagen verbreiteten Getreideanbau in Verbindung gebracht, der ja inzwischen mit Ausnahme z. B. des Oberinntals (wo caudata ja dort noch vorkommt) überall verschwunden ist (und mit ihm die caudata?). Aber es geht also auch im Grünland.

Den Lebensraum hätte ich auch mit X-F (für alle die die Lebensraumliste in der Eingabemaske nicht im Kopf haben: Felsrasen, Felstrockenrasen mit vorhandener Vegetation) angegeben, wobei das Kürzel ja ein etwas zu großes Spektrum umfasst (vom Braunsberg-Felstrockenrasen bis zu einer felsigen Almweide).

Wegen den gelben Haxen - mein einziges caudata-Foto (von 2002 vom Goldberg/Wien-Oberlaa) hat Tiefland-Gelbbeine:


Liebe Grüße
Thomas

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